Eigentlich will man damit ausdrücken, dass etwas sorgfältig auf Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit überprüft wird. Diese Redensart hat seit dem systematischen Betrug um die Abgaswerte bei VW eine neue, andere Bedeutung bekommen: Nichts ist so, wie es scheint.
Die Wirtschaft wird immer wieder und immer heftiger von Skandalen erschüttert. Nicht wenige fragen sich, ob sie als bedauerliche Einzelfälle anzusehen sind. Oder verführt die Jagd nach Marktanteilen und Extraprofiten systembedingt dazu, Regeln und ethische Standards zu verletzen? Nicht immer ist es so spektakulär wie jüngst bei VW oder erneut bei der Deutschen Bank.
Werteverlust = Wertverlust
Die Schwergewichte im DAX, dem Leitindex der 30 größten deutschen Unternehmen, leiden seit einigen Monaten unter massivem Wertverlust. Dies hat nicht nur mit dem jeweiligen Geschäftsmodell zu tun, das sich überlebt hat. Dies betrifft die großen Energieversorger, allen voran RWE und E.ON. Auch Bankentitel wie Deutsche Bank und Commerzbank sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 angezählt: Die Aktie der Deutschen Bank verlor seither 75% ihres Werts; bei der Commerzbank fiel der Kurs sogar um mehr als 95%. Der Automobilsektor gilt als tragende Säule der deutschen Wirtschaft, vor allem im Export. Seit der notorische Betrug bei VW aufgeflogen ist, reduzierte sich der Börsenwert des Unternehmens quasi über Nacht um rund ein Drittel. Der Reputationsschaden ist noch nicht in Zahlen zu messen. Er hat andere (BMW, Daimler) bereits mit nach unten gezogen.
Ethisch nicht verantwortliches Verhalten rentiert sich auf Dauer eben nicht. Ein Grund mehr, genau hinzusehen, wem man sein Geld anvertraut – und wem besser nicht.
Unsicherheiten weltweit
All dies findet in einem globalen Umfeld statt, in dem verschiedene Entwicklungen für Unsicherheiten sorgen. Die Wachstumsmaschine in China (und auch in anderen Schwellenländern) stottert. Die erwartete Leitzinserhöhung der US-Notenbank Fed ist erneut abgesagt, weil die Wirtschaft in den USA doch noch nicht so stabil ist, wie man dachte. Die Rohstoffmärkte sind fast durchweg eingebrochen. Die Disparitäten in der Euro-Zone werden durch die Politik des billigen Geldes der EZB wie mit einem Sedativum nur oberflächlich überdeckt.
Und nicht zuletzt wissen wir alle nicht, welche Folgen die es hat, wenn sich Staaten und Gesellschaften im Orient durch Krieg und Not auflösen und Menschen zur Flucht getrieben werden. Dies stellt nicht nur Europa als angebliche Wertegemeinschaft vor neue Zerreißproben. Ob und wie wir es in Deutschland tatsächlich schaffen, mit der Flüchtlingskrise organisatorisch und menschlich umzugehen, ist eine Herausforderung, die wir bislang kaum erahnen. Die große Hilfsbereitschaft im Land ist ermutigend – auch gegen offenen Rassismus und Chauvinismus, der leider nun auch in Deutschland zu Tage tritt.
Unsere pluralistische Demokratie muss jetzt und in den nächsten Jahren zeigen, dass sie alltagstauglich ist. Das geschieht nicht auf einem Prüfstand unter Laborbedingungen, sondern jeden Tag aufs Neue.
© Ingo Scheulen, 08.10.2015